Werden wir mit zunehmendem Alter ängstlicher ?

12.11.2024

(LiVa, 12.11.2024) Katarina Leovac stellt in ihrem heutigen «Sapperlot» fest, dass mit dem Alter nicht nur die Weisheit Einzug halte, sondern auch die Angst. Während man mit Anfang zwanzig noch ohne zu zögern mit dem Fallschirm aus dem Flugzeug gesprungen wäre oder sich mit einem Seil an den Beinen von einer Brücke gestürzt hätte, überlegt man sich mit Anfang vierzig nun, ob man in eine Achterbahn steigt, oder eben doch nicht.

(dwb) Ich muss offen gestanden sagen, ich wäre schon mit zwanzig weder aus einem Flugzeug gesprungen noch mit einem Seil an den Beinen von einer Brücke. Das hat aber weniger mit fehlender, jugendlicher Leichtlebigkeit zu tun. Die hatte ich schon. Und zudem eine Grossmutter, geboren 1904 in einem armen bündner Bergdorf. Sie hat uns schon als Kinder gelehrt, auf die Gesundheit aufzupassen. Sie wusste, wovon sie redete. Jede gröbere Verletzung hätte in ihrem Dorf den Tod bedeuten können. Einen Arzt, den gab es. Zwanzig Kilometer weit weg, gekommen ist er - bei halbwegs gutem Wetter mit wenig Schnee - mit Ross und Wagen, in ein Dorf mit dreihundert Einwohnern. Wie man den Arzt dann noch bezahlte, das war nochmal eine andere Frage. Das hat unsere Grossmutter uns Kindern mitgegeben: Niemals ohne Not ein gesundheitliches Risiko eingehen. Niemals. Und als ich älter geworden bin, heute tatsächlich 60 Jahre, da kamen noch andere Argumente dazu. Die Verantwortung für andere, für die Gemeinschaft, die jeder von uns mitträgt. Die Einzigartigkeit des eigenen Lebens. Nur Besucher zu sein, in diesem Theater des Lebens. Und der feste Wille, den Vorhang so spät es geht fallen zu lassen.

Aber – es war niemals Angst. Gut, der vielgehörte Spruch, «Angst sei ein schlechter Ratgeber», der ist ohnehin falsch. Angst ist durchaus ein guter Reflex. Angst gibt keinen Rat. Aber sie kann uns dazu führen, über die Dinge noch einmal nachzudenken. Ich glaube nicht, dass man mit zunehmendem Alter ängstlicher wird. Man hat mehr zu verlieren, ja. Das schon. Da gibts materielle Dinge, für die man Jahrzehnte hart gearbeitet hat. Da gibts Kinder, Enkelkinder, ein soziales Umfeld. Das alles will niemand verlieren. Angst ist das nicht. Angst haben wir vor dem Ungewissen. 

Doch dass wir alles zurücklassen müssen, das ist – gewiss. So sicher, wie das Amen in der Kirche.


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