Wer verherrlicht die Siebziger Jahre ?
Immer mehr, so scheint mir, wird auf die 1970er Jahre zurückgegriffen. Dabei sehe ich immer öfter, wie dieser Zeitabschnitt von 10 Jahren - meiner Ansicht nach - völlig zu unrecht, beinahe "glorifiziert" wird.
Das habe ich ganz anders erlebt. Ich glaube, dass wir Babyboomer im Gegenteil eine Generation sind, die massiv unter den Veränderungen der 60er und 70er Jahre gelitten hat.
Als ich im Jahre 1963 geboren worden bin, war unser "altes Vaduz" in weiten Teilen tatsächlich noch unser altes Vaduz. In den Kindergarten bin ich in den ehemaligen Stallungen der Post-Pferde gegangen. Mein erster Primarlehrer stand bald vor der Pension, seine Ausbildung hatte er noch zu Beginn der 1920er Jahre gemacht. Nicht, dass ich mir dieses Bauerndorf zurück wünschen würde. Aber als Kind war es ungeheuer schwierig, in einem Dorf zu leben, das sein Gesicht - kaum hatte man sich als Kleinkind irgendwie eingelebt - durch grosse und grösste bauliche Veränderungen andauernd gewechselt hat. Ich bin in einem anonymen Dorf aufgewachsen. Man hat es mir vor meinen aufwachsenden Augen zusammengerissen. So gesehen habe ich das alte Dorf nicht mehr wirklich gekannt, und das neue ist mir bis heute fremdgeblieben. Heimatlos, im Grunde.
Wir Babyboomer waren auch diejenigen, die zerrissen waren zwischen der urbanen, "altmodischen" Welt der Grosseltern (meine Grossmütter waren Jahrgang 1904 und 1910) und dem postmodernen Juhui-Zirkus, den uns der erste Farbfernseher in die Stuben gezaubert hat. Wir kannten die Welt unserer Grosseltern nicht. Und sie - nicht wirklich - die unsere. Es war schwierig. Eigentlich unmöglich, einen Zugang zu finden.
Wir sind in ein Schulsystem gekommen, das nicht einfach modernere Bauten aufgewiesen hat. Ein Schul-Experiment jagte das andere. Wie es ausgehen würde, wusste niemand. Heute wissen wir: Sie gingen nicht gut aus.
Ich könnte diese Liste beliebig ergänzen. Aber ich möchte es gut sein lassen. Nein. Die Babybommer sind in extrem undankbaren Verhältnissen gross geworden.
Zerrissen zwischen einer "alten" Welt, die wir nicht wirklich kannten. Und einer Welt,
die erst im Entstehen begriffen war.
Es war - schwierig.
(Bildquelle: "Erlebe Vaduz")