Über das erstaunliche Wesen des Leserbrief-Schreibers.

(RadioBAYERN2, 27.01.2021) «Leserbriefe gehören zu den meistgelesenen Spalten einer Tageszeitung. Je regionaler die Ausgabe, umso größer ist das Interesse auf beiden Seiten. Die Nähe zu den Themen provoziert die Meinungsvielfalt.»
«Statistiken belegen, dass mehr Männer als Frauen Leserbriefe schreiben. In der überwiegenden Zahl sind es engagierte Menschen, die schon im Ruhestand sind. Alle Autorinnen und Autoren zeichnet der Mut aus, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Und manche Leserbriefschreiber outen sich als Gscheidhaferl. Und wieder andere sind einfach stolz, ihren Namen in der Zeitung zu lesen.»
So weit Radio BAYERN2. Dieses Statement reiht sich ein in den allgemein diffamierenden, verniedlichenden Umgang mit «Leserbriefschreibern» ein: Männer im Rentenalter, denen es zu langweilig geworden ist.
Persönlich sehe ich das Problem ein wenig anders gelagert: Es stimmt, oft sind es die immer wieder gleichen Personen, die sich mit Leserbriefen zu Wort melden. Das liegt aber weniger daran, dass es diesen Menschen übermässigen Spass macht, Ihre Meinung über die Zeitung zu veröffentlichen. Sondern daran – das ist meine persönliche Erfahrung – dass sie die Allermeisten die Dinge, die schlecht laufen, zwar beklagen, dies aber nie öffentlich tun würden. Zu gross die Angst, darauf angesprochen zu werden. Oder dass ihre Meinung in der Oeffentlichkeit nicht gut ankommen würde.
Und so sind es, tatsächlich, oft die immer gleichen Namen, die in den Zeitungen unter den Leserbriefen erscheinen. Aber wir sollten uns darüber nicht aufregen. Wir sollten uns lieber fragen, warum das so ist – und warum diese Namen nicht öfter wechseln. Denn zuweilen liegt das Problem nicht in der «Ausdauer» der Leserbriefschreiber.
Sondern in der Mutlosigkeit der «Nicht-Schreiber».
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