Ein Unrecht rechtfertigt nicht - ein Anderes.

... 24. April 1993: Anschlag der IRA in der Innenstadt von London ...
Die älteren unter uns erinnern sich noch an die Bilder aus Nordirland in den sechziger, siebziger, achziger und neunziger Jahren. Der Terror der IRA ("Irisch Republikanische Armee") war in Europa beispiellos, das Leid unter der Zivilbevölkerung kaum mehr zu ertragen. Der Konflikt in und um Nordirland hat zwischen 1969 und 1998 über 3 500 Todesopfer gefordert, von denen mehr als die Hälfte Zivilisten waren. Fast 3.300 der Opfer starben innerhalb Nordirlands. Der Grund für den Nordirlandkonflikt war zu Beginn die Ansiedlung von protestantischen Schottinnen und Engländerinnen in Irland (Plantation of Ulster) und die daraus entstehende Diskriminierung der katholischen, irischen Bevölkerung.
Es sind – letztlich - die immer gleichen Konflikte um religiösen Glauben – und noch viel mehr, um Lebensraum.
Das war in Nordirland nicht anders als seit achzig Jahren auf dem Gebiet des
heutigen Israel und der Palästinensischen Gebiete. Immer wieder kam es zu verheerenden, rücksichtslosen Anschlägen der IRA, denen nicht selten auch Kinder zum Opfer gefallen sind. 90 Jahre lang wollte die Terrorgruppe IRA Irlands Unabhängigkeit von Großbritannien mit Gewalt durchsetzen. Dennoch blieb auch in Nordirland nichts anderes übrig, als zu versuchen, irgendwann eine politische Verhandlungslösung zu finden. Die Zivilbevölkerung grossflächig zu bombardieren, um die IRA Untergrundkämpfer zu eliminieren, das war zu keiner Zeit denkbar. Das hätte alleine die Weltgemeinschaft niemals hingenommen.
Ein Unrecht rechtfertigt nicht das Andere. Wir haben rechtsstaatliche Verhältnisse. Und die gelten in westlich geprägten Staatsordnungen für alle gleichermassen. Auch – für Israel.
Das grosse Leid, das Deutschland dem jüdischen Volk im Zweiten Weltkrieg zugefügt hat, ist beispiellos und unentschuldbar. Und der fürchterliche Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel mit weit über 1000 unschuldigen Opfern hat die Welt zu Recht zutiefst erschüttert. Israel und die Weltgemeinschaft sind aufgefordert, dieses grauenhafte Verbrechen zu ahnden und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
Denn bei allem Leid müssen die rechtsstaatlichen Grundsätze eingehalten
werden. Und die besagen, dass wir auch jemanden, der uns Tod und Schmerz
gebracht hat, vor Gericht bringen und verurteilen müssen. Niemand darf sich
ausserhalb dieser Grundsätze stellen und Selbstjustiz üben. Genau das tut
Israel. Israel hat über die Hamas kollektiv das Todesurteil verhängt. Ohne Gerichtsverhandlung. Und ohne Richterspruch. Ein absolut unmöglicher Vorgang.
Selbstjustiz ist kein Mittel unserer Rechtsstaatlichkeit. Das gilt auch für das jüdische Volk.
Das gilt – für uns alle.