Drei Fragen zum Flüchtlingswesen - Antwort von offizieller Seite.

24.10.2024

(dwb, 24.10.2024) Am Montag dieser Woche habe ich in meinem Blog einen Leserbrief mit drei Fragen zum "Flüchtlingswesen Ukraine" geschrieben. Er war als offener Brief an die Fürstliche Regierung gerichtet und an die Lie-Zeit und das Liechtensteiner Vaterland geschickt worden. Während die Lie-Zeit den Leserbrief gleichentags in seiner Online-Ausgabe platziert hat, war im Vaterland nichts davon zu lesen. Ein interessantes Detail am Rande: zur gleichen Zeit wie mein Leserbrief waren noch zwei mit derselben Thematik in der Lie-Zeit, also insgesamt drei. Einer davon stammte von einem stv. Landtagsabgeordneten. Dieser Leserbrief wurde vom Vaterland abgedruckt, allerdings nicht unter der Rubirk "Leserbriefe", sondern in der weit weniger publikumswirksamen "Parteienbühne".

Es ist offensichtlich, dass die Regierung in Sachen Ukraine keinerlei Presse wünscht. Angesichts des gewaltigen Kostenrahmens kein Wunder. Nun, ich möchte euch die Original Antwort nicht vorenthalten, habe mir aber zu den verschiedenen Antwort-Punkten kurz ein paar Bemerkungen erlaubt.


Original-Antwort von Alex Müller, Mitarbeiter der Regierung, 23. Oktober 2024

Sehr geehrter Herr Wille

Eingangs machen wir Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Angaben zur Zahl der anwesenden Schutzbedürftigen falsch sind. Diese beträgt per 16. Oktober 2024 682 Personen. Diese Informationen sind seit zwei Jahren öffentlich auf der Homepage der Regierung abrufbar und werden wöchentlich aktualisiert: https://www.regierung.li/thema/16153/ukraine?id=231260. Korrekte Angaben zu den bisher entstandenen Kosten finden Sie darüber hinaus in den ebenfalls öffentlich verfügbaren Rechenschaftsberichten: https://www.llv.li/de/landesverwaltung/stabsstelle-regierungskanzlei/rechenschaftsbericht/rechenschaftsbericht-2023 (Landesrechnung, Flüchtlingswesen)

Es mag sein, dass per 16. Oktober 682 ukrainische Flüchtlinge in Liechtenstein gemeldet waren. Die Flüchtlinge kommen und gehen, sie dürfen auch 2 Monate in ihrer Heimat sein, dann zurückkehren, und gelten noch immer als Flüchtlinge. Insgesamt sind aber bis heute rund 1.100 ukrainische Flüchtlinge in Liechtenstein beherbergt worden. In der Schweiz rechnet man offiziell (auf admin.ch einsehbar) mit Kosten pro Flüchtling und Monat von CHF 1.800.-- (Ich habe gegenüber der Regierung von rund 50 Mio. gesprochen. Die dürfen wir uns selber ausrechenen: durchschnittlich 800 Personen, 1800 pro Monat und Flüchtling, gerechnet auf 2 1/2 Jahre (bald 3 Jahre), da kommen wir nah dran ... der Krieg ist noch nicht zu Ende).


Frage Nr. 1: Wo sieht die Regierung die Obergrenze für ukrainische Flüchtlinge im Land ?

Die Festlegung einer Obergrenze für schutzsuchende Flüchtlinge ist weder völkerrechtlich zulässig, noch lässt sich diese in einem Land mit offenen Grenzen praktisch umsetzen. Die Regierung ist aber bestrebt, die Aufnahme von Flüchtlingen so zu steuern, dass diese für unser Land grössenverträglich bleibt und keine Pull-Faktoren geschaffen werden. Die Entwicklungen im Inland sowie in den umliegenden Ländern werden daher genau verfolgt.

(dwb) "... Obergrenze ... weder völkerrechtlich zulässig, noch lässt sich das in einem Land mit offenen Grenzen umsetzen ...". Wenn die Flüchtlingszahlen nicht gedrückt werden können, dann frage ich mich, warum Liechtenstein ein mehrfaches an Flüchtlingen aufgenommen hat im Vergleich zu Luxemburg, Frankreich, Italien, Oesterreich und auch der Schweiz. Wir haben rund drei bis sechs mal mehr Flüchtlinge aufgenommen, und ich frage mich angesichtes dieser enormen Kosten, ob etwas geringere Flüchtlingszahlen nicht wirklich möglich gewesen wären ...


Frage Nr. 2: Wieviele ukrainische Flüchtlinge gehen einer bezahlten, sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach, von der sie auch leben können ?

Aktuell gehen von 441 ukrainischen Schutzbedürftigen im Alter von 18 bis 65 Jahren 133 Personen und somit rund 30% einer Erwerbstätigkeit nach. Alle erwerbstätigen Schutzbedürftigen unterliegen der Lohnzession. Vom einbehaltenen Lohn werden ihnen die Fürsorgeleistungen und das Taschengeld (CHF 14/Tag) sowie CHF 3 pro Arbeitsstunde als Motivationsprämie ausbezahlt.

(dwb) Ich gönne den ukrainischen Flüchtlingen, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, ihren Lohn.  Es ist immerhin schon wichtig, dass einer Arbeit nachgegangen wird. Die Quote von 30 % darf allerdings - nach 2 Jahren - noch immer als eher niedrig angesehen werden, so würde ich vermuten.


Frage Nr. 3: Wie gedenkt die Regierung, mit der sehr grossen Anzahl Flüchtlingen umzugehen, wenn der Krieg dereinst zu einem Ende kommen wird ?

Bei einer Verbesserung der Situation in der Ukraine wird der Schutzstatus aufgehoben und es erfolgt die Wegweisung in die Ukraine gemäss Art. 51 Asylgesetz.

(dwb) Auf diesen Punkt lege ich besonderen Wert. Ich werde die Regierung nach Beendigung des Krieges an diesen Artikel erinnern. Wenn wir in unsere Nachbarländer (Oesterreich und Deutschland) schauen, dann wird dort davon gesprochen, dass rund 50 bis 70 % der ukrainischen Flüchtlinge nicht beabsichtigen, in ihre Heimat zurückzukehren. Das sollten wir im Auge behalten, so meine ich.

(dwb) Abschliessend möchte ich kurz festhalten: Es erscheint möglicherweise "unpassend", dass ich bei Menschen auf der Flucht derart auf die Kosten achten möchte. Ich glaube aber, dass es bei diesen Ausmassen (50 Millionen Plus X, ohne Bau des neuen Flüchtlingsheimes) durchaus angebracht ist, diese Thematik gemeinsam zu diskutieren. Es wäre eigentlich Aufgabe der Regierung, bei solchen Kosten proaktiv auf die Bevölkerung zuzugehen. Auch die Flüchtlingszahlen hätten durchaus besser kommuniziert werden können. 

Freundliche Grüsse

Alex Müller

Mitarbeiter der Regierung

T +423 236 63 16

alexandre.mueller@regierung.li

MINISTERIUM FÜR INNERES, WIRTSCHAFT UND UMWELT

Postfach 684, Peter-Kaiser-Platz 1

9490 Vaduz

www.regierung.li


(Bildquelle: Regierung des Fürstentums Liechtenstein)